Enttäuschungen drei und vier. Und das Funktionieren.

Wie habe ich das gemacht, wieder zu funktionieren ?

Ich habe zwei Stunden auf Heulen und nervös Umhertigern verwendet. Im Moment, als der „ach, du bist eh scheiße, du kannst genauso gut aus dem Fenster rollen“-Gedanke kam, habe ich an meine Tochter gedacht und mir mit aller aufbietbarer Moral gesagt: nee, fuck, das kannst du der Kleinen nicht antun, du hast Verantwortung.
Zwischendrin habe ich mich auch mal auf den Teppich im Foyer gehockt und gewusst, dass ich rechtzeitig verschwinden könnte, wenn ein Mensch sein Kommen ankündigte – und ein schwarz-weiß-Foto aus der rumliegenden Zeitung geschnitten und Sterne in Kuhköpfe gemalt. Bei der Aktion habe ich mich voll künstlerisch gefühlt, sozusagen voll zum Haus passend – umso ärgerlich dass (Enttäuschung vier) ich es bald verlassen muss.

Nach besagten zwei Stunden wurde mir bewusst: nochmehr rumheulen würde es schwierig machen, meine Tagesaufgaben rechtzeitig zu erfüllen. Noch mehr Ärger wollte ich mir nicht einhandeln, darum: Wege finden, zu funktionieren. Ich ging dann Richtung Küche, wo ein Musiker, der immer künstlich fröhlich ist, Mittag zubereitete. Ich, in der stets ähnlichen Konversation geübt, flötete was Zustimmendes und setzte mich an den Tisch der anderen Aufs-Mittag-Wartenden, die ein jüngerer Musiker und eine charmante Keramikerin waren. Obwohl sie mich nur flüchtig kannten, gaben sie sich daraufhin alle Mühe, mich freundlich ins Gespräch einzubeziehen und zu lächeln.
Ich gab mir auch Mühe, interessiert zu wirken und all meinen Neid zu verbergen. Dazu schilderten beide noch Situationen, die sie eindeutig als Hochsensible auswiesen. Da war es wieder, das Gefühl von Friede, Freude, Eierkuchen. Und ich habe Angst, dass es mir nie wieder zu teil wird, ab September. Jaja, ich hatte geschrieben, ich könnte immernoch wieder Nerd werden. Aber will ich das, nachdem ich den Geruch der Freiheit gerochen habe ? *pathos aus*

Enttäuschung 3.:
Das war nach der blöden Buchdiskussion. Ich lief weg, flüchtete die Kleingruppendiskussionen. Und dachte ja: ich habe noch ein Date, haha !
Dann rief ich an, den Flirtpartner, den ich jüngst erwähnte. Der sagte allerdings, er sei noch unterwegs, das dauere noch eine Stunde. Ich so: naja, ich kann ja erstmal was essen gehen. Und er: naja, ich bin auch schon etwas müde. Vielleicht einen anderen Tag? Ich so: jaja. Obwohl ich nicht soviele Gelegenheiten habe. Er: Hm, sorry.
Ich legte auf und ging schnell. Wenn ich emotional aufgeladen bin, gehe ich gerne schnell, das erdet irgendwie. Blöder Arsch, dachte ich. Erst mir ein halbes Jahr lang Komplimente machen und wenn ich dann soweit bin, sich nicht  an die Verabredung halten.
Okay, dachte ich, eine eindeutige Zeit hatte ich ihm nicht genannt, weil ich nicht wusste, wann die Diskussion fertig sein würde. Aber ich hatte mir eben vorgestellt, der säße freudig wartend zu Hause. Haha, Hybris !
Dann war ich auf dem Heimweg und er rief zurück: er sei nun doch schon zu Hause, und wenn ich vielleicht Wein mitbringen könnte.. Ich, verwirrt: na, ich fahre grad nach Hause, du hast doch gesagt, es dauere noch ne Stunde.. Er: ja, hm, na du musst nicht umdrehen. Ich: obwohl, hm.. okay, machen wir nicht so ein Hin und Her. Du hattest ja sicher einen wichtigen Grund. Er: Ja ! Ich : Bis irgendwann, ciao.
Dann fuhr ich nach Hause und dachte: offensichtlich ist er schon irgendwie interessiert, sonst hätte er ja nicht zurückgerufen, aber auch offensichtlich nicht so sehr interessiert, dass er andere Termine für mich absagt. Und : was für ein verpeilter Typ, kein Zeitgefühl, kein gutes Aufgabenmanagement, ich bin da ja organisierter.

Und die letzte Enttäuschung, die von heute vormittag:
Da las ich eine Email an  meinen Chef, weil er mich aufgefordert hatte, in seinem Raum auf den Paketboten zu warten und den Bildschirm angelassen hatte. Wäre da ein Geheimnis, hätte er wenigstens sein Browserfenster geschlossen.

Jedenfalls las ich die Bewerbung meiner Nachfolgerin und bekam einen Schlag. Ich hatte mir immernoch ausgemalt, dass sich keiner bewirbt, weil die Stelle kraft der Überforderung meines Chefs gar nicht ausgeschrieben war. Nun aber hatte eine Dame von einer befreundeten Institution, mit der ich sogar noch über die Problematik gesprochen hatte und die bestimmt denkt: wahnsinn, welchen Gefallen ich allen getan habe ! einer 18-jährigen die Bewerbung empfohlen und scheiße, die Gute kann alles, was ich nicht kann: die hat eine Jugendleiterkarte, arbeitete bei einer selbstverwalteten Jugendkultureinrichtung und hat das WG-Zimmer von einem lässigen Typen übernommen, der für den Verein manchmal Catering macht.
Es gibt also keinen Grund für den Chef, nein zu sagen, aber 1000 Gründe für mich, Nichtigkeitsgefühle zu entwickeln.
Ich verfiel also in Grimm.
Später sagte ich mir: nein, die Gute kann nichts dafür, eigentlich kann keiner außer mir selbst was dafür und die Lösung wäre, mich mit meiner Nachfolgerin anzufreunden und ihr den Verein zu erklären, damit sie mich mit all ihrer Souveränität mit Jugendkulturtypen in Verbindung bringt, die ein Büro für mich haben und mir helfen, meinen Traum von der Undergrundkulturzeitschrift zu verwirklichen.

 

Das ist ein optimistischer Schluss. Herrje und herrja.

 

Büroanspannung und ekliger Dorfanruf (II)

Diese Woche z.B. fragte ich mich mitunter: „Kannst du mitsingen oder hört sich das beschissen an, wenn man an der Tür vorbeiläuft ?“ und dachte: „Das pisst mich so an, ich will irgendwas kaputt machen ! Aber ah, du musst Contenance bewahren, die würden das alle hören !“
Das war in dem Moment, da ich von meiner Mutter
freundlich daran erinnert wurde, einer Silberhochzeit in ihrem Wohndorf ab- oder zuzusagen. Ein Batzen unangenehmer Erinnerungen brach über mich herein und ich stand in meiner Büromitte und wollte ausrasten. Ich hege sehr wenig Hass, gegen nur wenige Menschen. 90% dieser Auserwählten befinden sich in besagtem Dorf. Keine zehn Pferde ziehen mich dahin. (Ein, zweimal im Jahr aber ein Pflichtgefühl und das Klavier, das ich geerbt und dort stehen gelassen habe.)
Anrufe bei Stiefverwandten haben mich viele Nerven gekostet in den letzten mindestens zehn Jahren. Vielleicht nicht ganz so viele Nerven wie die realen Kommunikationen oder Un-Diskussionen in den Jahren, da ich dort wohnte, aber doch so einige.
Da geht es viel um gesellschaftliche Pflichten, vorgeheuchelte Sympathie und opportunistische Schauspielerei. „Blut ist dicker als Wasser.“ wurde mir oft gesagt, wenn ich Taten oder Worte verweigern wollte, aber scheiße nochmal, dachte ich stets, es ist doch gar nicht meine Verwandtschaft und ich bin ganz anders als die, was soll ich mit diesen Leuten, was sollen die mit mir, warum müssen wir uns hier gegenseitig was vorspielen ??
Warum so tun, als ob wir uns mögen oder gar schätzen würden, wenn offensichtlich ist, dass deren Lebensentwürfe und Wertigkeiten sich fulminant von den meinigen unterscheiden ?
Okay, ich habe eine Theorie dazu: weil „verlorene Stieftöchter“ so ein Drücken im Herzen hinterlassen und auch schlecht fürs Dorfgerede sind, dass es viel normaler wirkt, wenn besagtes Pseudo-Familienmitglied eben nur selten Zeit hat. Wenn man glauben kann, dass sie (und ihre Familie) ja gern öfter mal im Dorf vorbeisehen würden, aber leider, leider so weit weg wohnen und die Zugreise mit dem Kleinkind so beschwerlich ist und diese Terminkollisionen.. schade, schade, wir hätten uns so gern mal alle wieder getroffen – sagte auch die Pseudotante am Telefon, als ich ihr irgendetwas vorlog, nachdem ich mich also zur Absage durchgerungen hatte.

Wie ätzend, zur Lüge gezwungen zu werden. Herrje, ich hätte ja Zeit gehabt, an dem Tag der Feier, allein ich wüsste einfach nicht, was ich da sollte.
Das Beste, was ich mir zu diesem Dorf ausmalen kann, ist eine cognacgeschwängerte Fantasie: [die nichts für zarte Gemüter ist]
„Du hast sie umgebracht, genau du! Guck nicht so unschuldig mit deinen Schweineäuglein! Ich weiß es, ich habe ihre Tagebuchfetzen gelesen. Mein Vater hat den Tatort untersucht, da, diese Waldkreuzung nahe der Bundesstraße. Warst du mal da? Hattest du wenigstens Alpträume?
Was bist du für ein unsensibler Arsch?! Wie konntest du so mit deiner Ehefrau umspringen, deren Mutter sich bereits umgebracht hatte? Wie kann man 15-jährigen ausgelesene Pornozeitschriften hinlegen, damit sie ihre vollgebluteten Binden darin einwickeln, bevor sie sie in den Müll werfen? Hast du wirklich geglaubt, deine Tochter und ich würden das nicht lesen? Oder wolltest du, dass wir mal Bescheid wissen, was die Dorfjungs so aufgeilen könnte?
Da endet ja eure Weltsicht: beim Verpaaren und Feldbestellen. Die Getreidefelder und die Felder der Frauen, pah.“
Der fette Stiefvater würde mich unverständig anschauen, weil er, weil es ja meine Fantasie ist, mal nicht argumentlos dazwischen gebrüllt hätte und die Felder-Gebärmutter-Metapher nicht verstanden hätte. Ich würde unbeirrt fortfahren, mir meine ganze angestaute Wut von der Seele zu reden:
„Hast du gewusst, dass mein Vater dich für einen sexuell unbeherrschten Sack hielt? Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als Vati mich ermunterte, eine Anzeige gegen dich zu stellen und beifügte, er erschösse jeden persönlich, der es wagen würde, mich zu.. – ich war aber ehrlich und vielleicht sogar moralisch top, als ich sagte, du seist zwar eklig, aber nicht so eklig – und auch später auf dem Jugendamt der Versuchung nicht nachgab, die Sachbearbeiterin anzulügen, als diese mir sagte, damit ich eher ausziehen könnte, müsste schon etwas mehr vorgefallen sein, „zum Beispiel mit dem Stiefvater“, ein offenbar naheliegender Schluss in dem Moment, da ich in ihrem Büro rumheulte. Das wirft ein Schlaglicht auf die empirischen Geschehnisse in diesem Land, aber deine Gier nach jungem Fleisch erschöpfte sich in überhäufigem Betreten des Badezimmers, wenn ich dort badete und seltsamen Smalltalkversuchen dann.
Aber weißt du was, in punkto Glotzen sind wir quitt: ich habe ausgiebig mit meiner jugendlichen Gier die Brüste deiner Tochter angestarrt, die nämlich dank ihrer biederen Erziehung nie auf die Idee gekommen wäre, von Gleichgeschlechtlichen könnte körperliches Interesse ausgehen.
Auf die Idee wärst du ja auch nie gekommen und hast mir immer schön verboten, meine Freundin am Wochenende zu sehen. Nein, ich musste schön in deinem Scheißdorf versauern und mir auf der Straße anhören, dass es doch nun wirklich mal Zeit für mich wäre, mir irgendeinen Stecher zu suchen. Wenigstens hattest du massig Obstwein im Keller, in dem ich meine Sehnsüchte nach den Lippen der Geliebten ersäufen konnte.
Apropos Geliebte, kannst du eigentlich lieben? So mit Selbstaufgabe und drum und dran? Oder brauchst du nur Fussabtreter für deine Launen? Ist dir eigentlich bewusst, dass meine Mutter dich zu einem Großteil auch liebt, weil du ihrem herrschsüchtigen Vater ähnelst? Oder glaubst du tatsächlich, du hättest sie mit Leistung und Humor erobert?“

Büroanspannung und ekliger Dorfanruf (I)

Diese Woche schon mehreren aufgestauten Verpflichtungen nachgekommen. Auch eine große Vermeiderin kann sich nicht auf ewig mit nichtigen und kurzweiligen Freuden und Pseudo-Pflichten aufhalten.
Dabei aber klassisch angespannt gewesen, wie zumeist in meinem Büro, das zwar meins allein ist – was sehr, sehr gut ist, denn ständig einer Kollegin ins Auge blicken zu müssen und unvermittelt auf Smalltalk reagieren zu müssen, fände ich quälend -, aber über eine eher dünne Tür verfügt, hinter der ein Gang ist, auf dem Leute langgehen, wobei ich nicht durch die Schrittgeräusche ableiten kann, zu welcher Tür sie wollen.
Daher habe ich stets die Wahl zwischen:
– bei jedem Schrittgeräusch in Erwägung ziehen, dass jemand bei mir klopfen und eintreten möchte oder
– grundsätzlich erstmal denken, dass ich nicht das Ziel der Leute bin und mich ordentlich erschrecken, wenn dann doch jemand klopft.

Letztes Jahr war ich bei Methode 1 und war zudem permanent in Bereitschaft, die Nicht-Arbeits-Tabs und -Fenster schnell wegzuklicken und eine anständige Sitzposition einzunehmen.
Das war nicht nötig, denn es handelt sich um einen recht lockeren Arbeits-Verein, wie mir mittlerweile klar geworden ist.
So mache ich sogar Musik an und führe Selbstgespräche in meinem Büro. Auch wechsele ich oft die Sitz- oder Liegeposition und turne wirr auf dem Teppich rum, was gut für den Rücken und die Augen ist, die soll man ja nicht sturr und fix auf Stuhl und Bildschirm kleben.

Aber ich checke vor dem Rumlümmeln und Rumfaseln auch immer ab, wer derzeit im Haus ist. Wenn es nur Künstler bzw. Freiberufler sind, die selber Musik an und Telefonate haben, agiere ich lockerer, als wenn Chef und Kollege da sind und mit gewisser Wahrscheinlichkeit ab und zu anklopfen.
Diese Lösung scheint mir ganz vernünftig [herrje, auch jetzt in meiner Wohnung fühle ich mich irgendwie beobachtet. ich kann gar nicht sagen, von wem oder was. ob ich mehr Cognac trinken sollte, um mal zu entspannen ?],
aber es besteht dennoch die meiste Zeit über eine Anspannung, ein mich selbst Kontrollieren und Beobachten. Das nervt langsam. Andere Leute pfeifen durchs Haus oder schaffen es, Smalltalk mit plötzlich Erscheinenden zu machen, ohne vorher im Gespräch mit sich selbst gewesen zu sein…

Im Großstadtangebotswahn

Ach, was heißt „Wahn“, ich bin im Paradies !
Ganz oben dran, an der Maslowschen Bedürfnispyramide !
All diese Möglichkeiten, diese ausspezialisierten Angebote, ich bin gerührt. Vorhin in einem neu entdeckten Laden kaum noch denken gekonnt vor Rührung. Was diese Menschenballungen an Sondermöglichkeiten bieten und wie es mir zum Teil bereits gelingt, diese zu nutzen — ich glaub es kaum !
Es handelt sich um ein vor ein paar Wochen eröffnetes Stück Reformhaus im hiesigen Bahnhof. Reformhaus ! Im Bahnhof ! Ich glaub es kaum ! Wie weit die Ökowelle und die Allergiker schon gekommen sind…
Ich bin mehrfach versucht gewesen, mir dort ein Frühstück zum Mitnehmen zu ziehen statt der überteuerten Luxusbaguettes vom LeCrobac gegenüber, aber irgendwas hielt mich stets vom Betreten der Ladenspalte ab. Vielleicht sah es zu muffig-hyperchonderhaft aus, das Reformlädchen, vielleicht dies, vielleicht das. Ja, also, es ging halt nicht. Heute kam ich auch ins Grübeln, ob ich da wirklich mal gucken kann. Aber dann gab ich mir einen Schubs und schon auf dem ersten Meter drin fielen mir die Augen aus:
fulminante Bioladenprodukte, die zum Teil im Biomarkt, für den ich sonst umständlich einen Umweg mache, gar nicht stehen – und jetzt stehen sie so mitten in der Stadtmitte, da wo ich eh immer umsteige, einfach so, kein langes Rumgurken mehr für Macadamia-, Carob- oder Kichererbsenaufstriche. Seitanwürste und Sojajoghurts in Fülle ! Wah, das Schlaraffenland ! Eifreie Kekse ! Hirse ! Extraordinäre Säfte !
Es wird Zeit für eine neue Welle Ökofaschismus und Gesundheitswahn, denn die Versorgungswege sind nun kurz..

Davor das Kind in einem ‚wissenschaftlichen Mitmachmuseum‘ abgegeben. Es hat beim Abschied nur geknickt geguckt, geheult hat nur ein anderes Mädchen. Ha ! Was dieser Nachwuchs bereits im Kita-Alter geboten bekommt, mein lieber Scholly !
Die Existenz solcher Einrichtungen verdanke ich den städtischen Mitbürgern gehobener Bildungs- und Einkommensschichten, schon klar. Ich kann das gesteigert wertschätzen, weil ich meine Kindheit in einer Kleinstadt und meine Jugend in einem Dörfchen verbracht habe. Ach was, verbracht wurde.
Deshalb vielleicht auch mein ungläubiges Staunen so oft, wenn ich in aufregende Etablissements gerate oder mich wage.
Ich denke mir, dass ich es da besser habe als Kinder von Upperclass-Leutchen, die immer schon sich alles leisten konnten und mit Kunst und Kultur bombardiert wurden. Die würden sicher öfter sagen: „dieses Theaterstück ist dröge, ich habe schon sechs bessere gesehen“, wogegen ich sage: „Ohhhh, wieviel Arbeit dahinter steckt und wieviel Beherrschung der Tänzer.. und guck mal, dieses Licht da !“

Das hilflose Annehmen von modernen, bunten Dingen begann schon gestern abend, als mir ein Smartphone aufgedrängt wurde, obwohl ich immer gesagt hatte, dass mir diese Fingerwischerei zu albern sei. Dass ich meine analogen Termin- und Notizzettel ganz sympathisch fände und nicht permanenten Internetzugriff haben wolle. Dass so überschicke Planungsgeräte eher was für enthusiastische Projektmanager seien.
Natürlich bestechen mich die Displayfarben im schwarzglatten Rahmen, aber ich habe noch ein wenig Argwohn dem Gerät gegenüber. Soll mich wirklich der Spieltrieb ins App-Zeitalter führen.. Herrje !

Hier sitze ich in meinen sozial-ungerecht-gehandelten Klamotten von der Stange und bin erstaunlich ruhig über die Tatsache, dass ich in circa zwei Stunden einen Linksalternativen zu Hause besuchen werde. Ich habe vegane Biowaffeln im Rucksack. Ob es mir gelingen wird zu sagen: „Vielen Dank für die Einladung – ich hab was zum Knabbern mit.“ ? Charme ist voll nicht mein Ding !
Andererseits, der Typ hat sowas Niedlich-Jungenhaftes, der strahlt nichts Verängstigendes aus, das wird schon. Endlich mal in ein selbstverwaltetes Haus eintreten, juchu ! (ein Jugendtraum von mir) Solange ich mich an gewisse Gedankenfesseln halte, beim stilistischen Verbessern des Demonstrationsaufrufes, wird er nicht ärgerlich oder misstrauisch werden. Durchgegenderte Ausdrücke verwenden, Verständnis für naives Weltverbesserungsdenken haben, kein Verständnis für Geldmacherei haben..

Na, mal sehen ^.^

Telefon, Kita, unnötiges Grübeln.

Morgen werde ich einfach anrufen, so um 8 Uhr nochwas und fragen: „Kann ich denn meine Tochter wieder vorbeibringen, auch ohne ärztliche Bescheinigung ? Im Vertrag steht, man müsste nur bei einer Woche Fehlzeit so eine Bescheinigung mitbringen und wir sind uns sicher, dass sie nur einen einfachen grippalen Infekt hatte.“
Eine der stets unter leichtem Zeitdruck stehenden Erzieherinnen wird dann ja oder nein sagen und dann werde ich die Kleine hinbringen (und endlich meine aufgeschobenen Schreibarbeiten* machen können) oder zum Arzt gehen, um für Montag ein Attest zu kriegen (und dabei Stunden lang zwischen elend aussehenden wirklich kranken Kindern hängen und meine hoch aktive Tochter beim Rumklettern und Schaukeln unterstützen, während die echt kranken nur auf Schößen rumhängen).

So wird es kommen und das ist doch ein triviales Ding normalen Familienlebens. Kein Grund, schon wieder tagelang zu grübeln.
Was ich aber getan habe, seit über zwei Tagen geht es in meinem Kopf umher: „Soll ich einfach hingehen ? Lieber am Montag direkt hingehen und ein dann sicher wieder total gesundes Kind präsentieren ? Wird sie nicht am Freitag doch noch eine Rotznase haben und nicht fit genug wirken ? – ach quatsch, die haben da alle Rotznasen, ist eben gegenseitiges Immer-Wieder-Anstecken, die Immunsysteme trainieren eben noch“.

Diese Krankheitsprobleme hatten ja mit einem Anruf aus der Kita angefangen. Witzigerweise riefen die zuerst meinen Gefährten an, der beschloss, mal wieder nicht ranzugehen. Was er öfter tut und tat und für mich die Möglichkeit bot, mal von außen zu sehen, welcher Chancen man sich durch vermeidendes Verhalten beraubt. Manchmal gehe ich dann nämlich an sein Telefon und verleugne seine Präsenz („sag ich bin draußen ! ich kenn die Nummer nicht !“) und dann sind es Jobangebote oder Freunde, die spontan was unternehmen wollen – und wäre doch blöd, davon nie erfahren zu haben.
Tatsächlich, seit ich aus „dir zeig’s ich’s !“- Intentionen seine Anrufe beantworte, habe ich auch weniger Angst vor meinem eigenen Telefon und der Türklingel.
Tut doch keinem weh, mal unverbindlich „Ja ?“ in den Hörer zu fragen oder durch den Spion zu gucken. Wieder auflegen oder nicht öffnen kann man immernoch 😉

*: jaja, die könnte ich auch genau jetzt machen statt zu das hier zu tippen. Ich möchte es aber vollwach und konzentriert machen.